Dass der Ockenheimer Kirchenchor sehr gut singen kann und auch große Entertainment-Qualitäten hat, hat der Chor bei diversen Themen-Projekten bereits mehrfach bewiesen.
Am Sonntag, 19. März 2023, kam ein neues Format hinzu. Infotainment – Entertainment paarte sich mit Information zu einem mehr als spannenden Auftritt, der die Vorfreude auf weitere ähnliche Auftritte im Laufe des Jahres wachsen ließ.
Neue Perspektiven einnehmen und so die Pfarrkirche aufs Neue entdecken war das Band, das Gesang und Infotainment verband. Ungewöhnlich war schon die in der Einladung geäußerte Empfehlung, ein Fernglas mitzubringen. Dieses war jedoch nicht dazu gedacht, den Chor näher in Augenschein zu nehmen, sondern einen verschärften Blick auf Elemente am Hochaltar und dem linken Seitenaltar zu werfen. Wussten doch sicher die wenigsten der Besucher, dass in unserer Kirche die wahrscheinlich einzige flugunfähige Engelfigur des Bistums Mainz thront, da ihr bei der letzten Renovierung die Flügel verkehrt herum montiert wurden.
Für viele unbekannt die Erklärung, dass die vier Figuren an den Altardurchgängen Symbolfiguren der vier Evangelisten sind. Die schmückenden Kapitele und Verzierungen am Hochaltar sind außergewöhnlich, denn sie wurden nur für kurze Zeit und hauptsächlich im Bistum Mainz verwendet. Interessant auch der schöne Drehtabernakel mit seiner Dreiteilung. Dies sind einige herausgegriffene Beispiele von vielen weiteren über die Petra Tabarelli und Chorleiter Kay Freudenreich in ihrer Moderation informierten.
Dass der wunderschöne Hochalter heute noch bewundern werden kann, ist dem Umstand zu verdanken, dass er als Second-Hand-Artikel erworben wurde. Ursprünglich stand er ab 1764 in der Kirche St. Maria Magdalena zu Gernsheim, für die er auch angefertigt wurde – ein Glück, denn die Kirche in Gernsheim brannte 1945 nach Bombentreffern aus.
Die Gernsheimer konnten sich damals für ihren neuen Altar so gar nicht erwärmen und wünschten sich eine andere Gestaltung. Den Ockenheimern, die davon erfuhren, gefiel der Altar des hochangesehenen Mainzer Hofschreiners Anton Hermann wiederum aber so gut, dass sie sich diesen für die eigene 1774-1778 neu erbaute Pfarrkirche wünschten. Doch die Gemeinde hatte damals den Ruf, ein „säumiger Zahler“ zu sein. Man fand jedoch einen Mittelsmann, der die Summe von 600 Gulden gegen eine Ratenzahlung der Gemeinde vorfinanzierte. Der Altar in Gernsheim wurde zerlegt, 1781 per Schiff rheinabwärts nach Ockenheim gebracht und in Peter & Paul wieder aufgebaut.
Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch Orgelstück „Passion“ von Max Gulbins, das mit seinen geradezu dramatischen Facetten das Leiden Christi musikalisch interpretiert und von Chorleiter Kay Freudenreich intoniert wurde.
Für weitere musikalisch-eindringlichen Momente sorgte der Chor mit seinen Auftritten und mehreren Werken, die zur Passionszeit passten. Das Stück „Eli, Eli“, in dem György Deák-Bárdos Bibelverse vertonte (Matthäus 27, 46) wurde mit so starker Empathie interpretiert, dass die Besucher spontanen Szenenapplaus spendeten. Und noch ein Novum konnte man durch eine Besonderheit des Ockenheimer Altarraums genießen: Hinter dem Altar ist nämlich nicht nur ein Gang, sondern der obere Teil des Altars ist auch zum Kirchenraum offen und bietet eine eigene Akustik. Während die Frauenstimmen das Lied „Holz auf Jesu Schultern“ von der zweiten Empore anstimmten hatten, sich die Männer nicht sichtbar hinter dem Altar aufgestellt und sangen als Widerhall bis am Ende des Stücks beide Stimmen im Schlussklang verschmolzen.
Nach 45 Minuten war die Meinung der Besucher einhellig: Es war eine sehr geglückte Veranstaltung, die die Erwartungen übertroffen und die Lust auf die beiden folgenden Veranstaltung geweckt hatte, die im Juni und November folgen werden. Anschließend lud der Chor die Besucher zu einem Gläschen Wein und Knabbereien auf dem Kirchplatz ein und den Abend ausklingen.
„Peter & Paul entdecken“ ist eine Veranstaltungsreihe des Kirchenchors Ockenheim im Rahmen der 1200-Jahr-Feier der Gemeinde Ockenheim.